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Leben auf Papier

Schreiben - einfach alles loswerden, ohne Abbruch, ohne Zensur, kein Aber. Mir zuhören und es so schnell aufs Papier bringen, dass die kritische innere Stimme keine Chance hat, dazwischenzugrätschen und etwas einzuwenden. Schreiben heißt lebendig sein, sich selbst bezeugen, sich selbst ernstnehmen. Alles da sein lassen. Schreiben ist ein ständiges Erstellen eines Vermächtnisses, eines Ichs, das beim Lesen schon längst nicht mehr existiert, wie ausgelöscht, eine ferne Erinnerung. Ohne Schreiben ist das Leben wie eine zufällige Aneinanderreihung, ein chaotisches Durcheinander von anderen Menschen, Feiern, Ereignissen, Umbrüchen. Mit geschriebenen Texten tauche ich ein in das, was ich vor Jahren gedacht und gefühlt habe, merke, dass es doch irgendwie einen roten Faden gibt. Logik, die sich erst im Rückblick ergibt. Die Illusion, immer die gleiche Person zu sein, zerspringt beim Lesen alter Texte in tausend Stücke. Genauso löst sich die Illusion, nun völlig anders zu sein, in Luft auf. Mit dem Schreiben sich selbst als wichtig und die eigene Welt als wichtig definieren, nichts als belanglos oder trivial einstufen. Alles darf aufs Papier, Rührei mit Tomate und Koriander am Morgen, Sonne am Nachmittag und nächtliches Selbstmitleid. Ständige Versuchung, dass jemand anders den Text als schön und wertvoll bewerten soll, den Inhalt und vielleicht damit auch den Autor als wertvoll validiert. Immer wieder behutsam zu sich zurückkommen, dass nur ich den Text mögen und verstehen muss... oder auch nicht muss. Schreiben heißt, ich darf sein, alles darf sein.

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