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Die Melodie der inneren Stimme

Ich erkenne mich nicht mehr. Oder doch, manchmal bin ich die, die ich schon all die Jahre war. Und dann wieder etwas ganz Fremdes, der Körper spricht mit mir, nach Jahren, in denen ich den Verstand als verlässlicher eingeschätzt habe. Ich kenne seine Sprache noch nicht, bin irritiert von all dem fremden Vokabular. Manchmal klingt mein Körper wie eine exotisch gestimmte Saite und verwirrt mich: ist da was kaputt, nicht richtig? Oder sind meine Ohren nur noch nicht gewöhnt an das, was mir mein Lebensinstrument vorspielt?

Nur Hingabe, Loslassen enthüllen die volle Schönheit dieser Sinfonie. Jeder Versuch von Kontrolle, Verstehen verwandelt die Harmonien in ohrenbetäubenden Katzenjammer, ohne Zusammenhang, schrill und beängstigend. Die Körperweisheit lässt sich nicht steuern, nicht lokalisieren, wie ein genialer Musiker, der seine Kunst mit divenartiger Launenhaftigkeit ausübt. Wunderschöne Melodien, Inspirationen, ganz neue Akkorde kann dieser Meister darbieten, mal leise und kaum hörbar, mal donnernd und fast einschüchternd, aber nie auf Kommando. Ja, einladen lässt er sich gern, aber wenn er einfach nur funktionieren soll, für selbstverständlich genommen wird, verschwindet er und überlässt dem unaufhörlichen und penetrant monotonen Gesang der Gedanken die Bühne. Um diesen empfindsamen Künstler bei Laune zu halten, muss man selbst zum Künstler werden, freilassen, offen sein für spontane Improvisationen. Beständig bereit sein, auf Disharmonien zu reagieren, die sensible Künstlerseele des Maestro schützen.

Nicht mehr wissen müssen, vertrauen, lauschen, tief in die Klangebenen eintauchen.

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