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Liebeserklärung an mein Meer

Ich erinnere mich an all die Male, bei denen die Ostsee mein Freund in der Not war. Ich treulose Tomate, die sie in den weniger schweren Zeiten völlig vergaß, wie sie mal wie ein harmloser See spiegelglatt da lag oder sich tosend erinnerte, dass sie eigentlich ein wildes Meer ist. Wasser, das an den Strand wogte, je nach Tageslaune schmutziggrau, smaragdgrün, tiefblau oder alles davon. Ein ständiges Spiel zwischen Nähe und Distanz, das Wasser hin, her, hin, her, hin, her... Wenn die Stürme des Lebens mich dann unvermittelt auf freier Fläche ohne Regenschirm und weit weg von einer Unterkunft überraschten und alles aussichtslos und unbarmherzig erscheint, ahnt meine Ostsee, dass sie nun gebraucht wird. Erst ein leises Rauschen, das sich unter meine Gedanken schiebt, ein leiser Rhythmus: hin, her, hin, her, hin, her... Ein leiser Bolero des Nordens, der anfangs unter dem Toben des Sturms kaum hörbar ist, sich aber geduldig und beständig wiederholt: hin, her, hin, her, hin, her... Und irgendwann stehe ich vor diesem Meer, das ganze Gepäck unterm Arm. Sie umhüllt mich mit einer kühlen Wolke aus Salz und Sand und Brandung, ich fühle in mir ihren Willkommensgruß: „Schön, dass du da bist! Stell alles ab, hier bist du richtig!“ Ich setze mich in den Sand, blicke in die Weite und lasse meinen Körper einfach in diesen anderen Rhythmus fallen, hin, her, hin, her, hin, her... Ich kann mich nicht erinnern, dass sich nicht innerhalb kurzer Zeit der Sturm in mir verwandelte. Das Unwetter in meinem Kopf griff am Strand jedes Mal auf meinen ganzen Körper über, mit Regen und Toben und Schreien und Chaos. Zusammen mit den sturmerprobten Wellen tose ich und alles in mir, und plötzlich! Dieser eine Moment, wo ich diesen Sturm nur noch beobachte, ein wildes hin, her, hin, her, hin, her...Es ist, als würde die Osteee mir zuzwinkern und mir mit einem verschmitzten Lächeln zuflüstern: „Wir hatten hier schon ganz andere Stürme! Lehn dich zurück und genieß das Abenteuer!“ Die Gedanken schwingen nur noch auf diesem Rhythmus, hin, her, hin, her, hin, her... und da sehe ich ihn auf einmal wieder, diesen Pfad, der im starken Regen kaum mehr erkennbar war... Der Weg zum Heimkommen, ein kleines Häuschen am Meer. Einen Ort, den ich immer dabei habe... offene Fenster und mein kleines Meer, das zufrieden rauscht... hin, her, hin, her, hin, her... 

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