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Schreiben ohne Warum

Wer will denn sowas lesen? Ein Satz, der in meinem Kopf hallt und alles in Frage stellt, mein Schreiben sinnlos erscheinen lässt.  Der Verstand sucht eifrig nach einem Zweck, einer Daseinsberechtigung für  das Füllen wachsender Seiten und Speicherplatz mit meinen Gedanken. Wie, als wenn all das erst dann wertvoll wird, wenn jemand anderes die Texte anerkennt. Nicht nur liest, um mir einen Gefallen zu tun, sondern... ja, was eigentlich, was soll der Wert für andere Menschen genau sein? Und woran würde ich das merken, an Likes vielleicht? Warum reicht es nicht, wenn der Prozess des Schreibens in erster Linie mal mich unheimlich erfüllt, in meinem Kopf die zahllosen Fäden sortiert und ich immer wieder überrascht bin, welche Sätze sich vor mir auf dem Papier manifestieren?

 

Das Notizbuch immer im Rucksack, bereit zum Fotografieren von Momenten auf großen Reisen über hunderte Kilometer oder auch auf kleinen Reisen ins örtliche Café. Aquarellieren von Szenen am Meer in farbigen Worten und Sprachbildern, mit Buchstaben gezeichnete Skizzen von Begegnungen, manchmal nur flüchtig, wie dahingeworfen, dann wieder mit allen Schraffuren und liebevoll eingefangenen Details von Gesichtern, Gesprächen, Gefühlen. Durch das Schreiben schule ich meinen Blick des Künstlers: immer mehr sehen, immer wieder neue Blickwinkel ausprobieren, Erinnerungen mit dem verflechten, was neben dem Papier passiert, wenn ich hochblicke. Schreiben macht mich lebendiger, vielschichtiger und lässt mich all das mehr lieben, was in meinen Texten vorkommt. Mir nahe Menschen genauso wie fremde, deren Namen ich gar nicht kenne. Die Natur um mich herum, die auch ohne schlagendes Herz für mich immer beseelt und belebt ist. Meine eigenen Kämpfe und Erkenntnisse genauso wie die glücklichen Momente und Erinnerungen. Die Worte sind wie ein kurzes Festhalten dessen, was ich in diesem Augenblick war, was ich gedacht, gefühlt, gesehen, gerochen, geschmeckt habe - um es dann sofort wieder loszulassen. Ein geduldiges Freilegen dessen, was in mir gehört, von mir gelesen werden will. Absichtslos, ohne Zweck, ohne etwas leisten zu müssen, kein Fragen nach dem Warum.

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Kommentare: 1
  • #1

    Claudia Weiser (Donnerstag, 04 Mai 2023 21:26)

    Sehr schön! Absichtslos, nur für sich selbst und dann, vielleicht genau deswegen, eine Bereicherung für die anderen!!!!